Liebe Leser,

zunächst die Auflösung des Quiz aus dem letzten Post in Warum Literatur?

Die Antwort lautete tatsächlich Antwort a).

Wenn wir also für die dazwischenliegenden 13 Jahre im Schnitt einen weiteren Prozentpunkt pro Jahr abziehen und durch die Coronaquarantäne 2 Prozentpunkte dazu rechnen würden (weil wieder mehr Menschen zum Buch griffen), wären wir dennoch bei -5%.

Hieße also nach dieser Rechnung, dass Literatur, Kunst und Theater nun selbst kräftig Geld in die Hand nehmen müssten, um in der Öffentlichkeit auf eigene (ungedeckte) Kosten überhaupt nur aufzufallen.
Hm, ach Sie meinen, das scheint schon teilweise so?

Sie haben sicher recht, auch wenn meine Rechnung natürlich ausgedacht ist. Spannend wäre allerdings, ob man als ach-so-beschäftigter Bürger nicht eines Tages selbst noch Geld vom gebeutelten Künstler dafür erhält, dass man überhaupt ins Theater kommt oder Bücher liest.

Als bibliophiler Mensch befindet man sich immerhin in der glücklichen Lage, Kunst und Literatur kombinieren zu können.
Ja, es gibt es: Das Buch als Gesamtkunstwerk. Der Einband, das Papier, die Typographie: im besten Sinne alles perfekt aufeinander abgestimmt. Der Inhalt des Textes steht nicht im Vordergrund – er spiegelt sich höchstens im klugen Design des Gesamtlayouts wider. Die Materialen des Einbandes werden sorgfältig ausgewählt und in handwerklicher Vollendung vom Buchbinder bearbeitet. Eine Renaissance der Haptik. Gleiches gilt für das Papier: Hier wird nicht wie auf anderen Medien gewischt, hier wird gefühlt. Und dank einer ansprechenden Typographie erlangen wir auch die Kunst des Sehens zurück: Hier wird nicht gestarrt, hier wird geschaut.

Zu übertrieben?

In seiner interessanten Geschichte über „Die großen Bibliophilen“ findet G.A. Bogeng, dass der Bibliophile durchaus Ansprüche stellen darf, welches Buch letztendlich in seine Sammlung kommt – ja, nach Bogeng muss er diese Ansprüche sogar stellen.

Sie finden, das klingt noch exzentrischer?

Schöne Bücher

Naja, die Bibliophilie, wenn auch damals unter anderen Vorzeichen, begleiten das Buch immerhin seit Anbeginn. Prächtig illuminierte Handschriften des Mittelalters zeugten vom Wunsch, ein Buch in höchstem Maße schön zu gestalten. Die Erfindung und stetige Weiterentwicklung verschiedener Schrifttypen nach Gutenberg und neue Techniken in der Illustration sorgten dafür, dass die Freude am schönen Buch bis ins digitale Zeitalter hinein erhalten blieb.
Und diese Bände sind doch (glücklicherweise) schön, oder würden Sie widersprechen?

Der Mensch, Platon mag verzeihen, ist eben ein Wesen der Sinne. Warum sollte das Buch, neben all den anderen Dingen, die man mit seinen Sinnen genießen kann – und entsprechend nach persönlichen Ansprüchen bewusst sortiert – nicht auch in das Reich des sinnlichen Erlebens eingeschlossen werden können, wie es Bogeng gestattet?

Mut zur eigenen Wahrheit!

Ist aber auch jeder Bücherfreund ein Bibliophiler? Jeder Bibliomane ein Bibliophiler? Jeder Bücherfreund ein Bibliomane? Jeder Bibliophile ein Bibliomane? Alles sicherlich Nein.

Sie sehen, das Buchuniversum kann sich im Äußeren genauso vielschichtig auftun, wie es sich zwischen den Buchdeckeln zu öffnen vermag.

Wie kann ich herausfinden, wer ich bin?

Um sich selbst am besten kennenzulernen, sind Besuche im Antiquariat unbedingt erforderlich. Nehmen Sie einmal ein bibliophiles Buch in die Hand (gerne auch zwei), falls Sie es noch nie getan haben. Wenn es sich plötzlich anfühlt, als wären Sie von einer lebenslangen Kutschfahrt in einen Rolls Royce gestiegen – willkommen im Club!

Und wenn es sich für Sie nicht so anfühlt?

Ebenso herzlich willkommen! Wie gesagt, das Buchuniversum ist groß – es ist Platz für alle da!

Sebastian Eichenberg