Liebe Leser,

nach dem Ostersonntag ist vor dem „Weißen Sonntag“ – denn so wird der erste Sonntag nach der Osterzeit genannt, jedenfalls nach dem Introitus der Meßfeier dieses Tages also „Quasi modo“, oder genauer: „Quasi modo geniti“ (lat.: Wie neugeborene Kinder).

Normalerweise galt der Sonntag „Invocabit“ (der erste Fastensonntag oder der 6. Sonntag vor Ostern) als „Weißer Sonntag“, weil in Rom die Kinder als Täuflinge in weißen Gewändern in die Kirche gebracht wurden. Heute ist „Dominica in albis“ die korrekte liturgische Bezeichnung des zweiten Sonntags der Osterzeit, weil in der alten Kirche die Täuflinge am Vortag, oder auch an diesem Sonntag, ihr weißes Taufkleid (lat.: alba) zum letzten Mal trugen. Der Samstag vor dem „Weißen Sonntag“ heißt gelegentlich auch „Sabbatum pasche“.

Ja, Sie sehen, liebe Leser, ich verstecke mich heimlich hinter der Liturgie, um in Wirklichkeit schon wieder vom Wochenende zu sprechen. Zu meiner Schul- und Studienzeit war die Freude auf die wiederbeginnende „Arbeitswoche“ insofern groß, als dass man sich dann endlich vom Urlaub erholen konnte. Jetzt, im Alter und als Antiquar (bitte nicht vermischen mit „altem Antiquar“), laufen solche Dinge wie feiern, arbeiten, erholen und ein sporadischer Kater fließend ineinander über.

Die Welt als Wille und Vorstellung beginnt idealerweise an solch ausgedehnten Feiertagswochenenden im Frühling mit einer sinngemäß ähnlichen Lektüre, einem kühlen Riesling und leckerem Essen; und zwar in beliebig wechselnder Reihenfolge. Selbstverständlich wird dabei auch dem Anlass dieser Feiertage Respekt gezollt. Doch wie geht es weiter, wenn der Aschermittwoch von Ostern, der Dienstag, einkehrt? Von mindestens einem der drei Dinge ist nämlich immer noch etwas übriggeblieben: entweder Lektüre nicht beendet, fünfte zweite Flasche entdeckt, Essen noch reichlich da.

So macht lesen Spaß!

Doch auch Luxusprobleme sind Probleme, die gelöst werden wollen. Also münze ich den guten Schopenhauer auf meine Bedürfnisse um, und Stelle mir die Welt nach meinem Willen entsprechend folgendermaßen vor:
Es ist wieder Wochenende, und ich beende alle während der Feiertage angefangenen Dinge. Allerdings ist diesmal die Reihenfolge entscheidend und wird folgendermaßen festgelegt: Lektüre, Essen, Riesling.
Denn der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass meine Durchführung ja nur im vorgestellten Wochenende stattfindet. Also ist es in Wirklichkeit nach wie vor Dienstag und das echte Wochenende wäre erst später der „Weiße Sonntag“.

Ja, ich gebe zu, manchmal komme ich mit dieser Philosophie trotz Schopenhauer an ein gewisses Limit, muss ihn daher leider zuklappen und mich seinem weiblichen, philosophisch ebenbürtigen, Pendant, der Schwedin Pippi Langstrumpf, zuwenden: Denn dann mache ich mir die Welt, wie sie mir gefällt!
Quasi modo genitus.

Sebastian Eichenberg